Der W: Albumchart-Entry auf Platz 2

Der W: Albumchart-Entry auf Platz 2 © 2012, Christian Thiele

Das neue Album "III" von Der W legt diese Woche einen Einstieg auf Position 2 in den Media Control Album Charts vor. Frei.Wild sind ebenfalls weiterhin in der Top 10 vertreten. Beide werden oft der Grauzone oder dem Rechtsrock zugerechnet. Was ist dran? Wie schätzt ihr diese Bands und ihre Erfolge ein?

Der W, das ist Stephan Weidner, und als solcher kein Unbekannter in der deutschen Musikszene: Sieben topplatzierte Alben mit den Böhsen Onkelz und insgesamt knapp 10 Millionen verkaufter Scheiben rechnet er auf sein Habenkonto. Um seiner rechten Onkelz-Vergangenheit weiterhin öffentlich Gegenpole entgegen zu setzten, engagiert sich Weidner für Projekte mit Namen wie “Schulen gegen Rassismus” oder “Voice vs Violence”.

Was sind Distanzierungen wert, wenn Zweifel bleiben?

Die Verbindung zum Rechtsrock ist im Fall Der W jedenfalls eine historisch begründet sehr schnell herstellbare, was in den Medien immer wieder thematisiert wird, so zum Beispiel 2009, als die Süddeutsche Zeitung schrieb, dass man bei seiner Musik und Texten schnell "an das spöttische Kippenberger-Bild mit den vielen wild verschachtelten Balken" denke (u.a. hier und hier zu sehen), auf dem stehe: "Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen". Der Vorwurf im Kern: Doppelzüngigkeit.

Wirft man einen Blick auf die Band Frei.Wild aus Südtirol, so gibt es auch ihnen gegenüber eine Vielzahl von Vorhaltungen, dass sie mindestens der Grauzone, wenn nicht gar eindeutig dem Rechtsrock zuzurechnen seien. Unbegründet ist auch dies nicht: Sänger Phillip Burger gehörte bis Oktober 2008 der rechtspopulistischen Südtiroler Partei "Die Freiheitlichen" an.

Interpretation – (k)eine Kunst?

Um Frei.Wilds Texte tobt ein Interpretationskampf: Ihr Song Das Land der Vollidioten aus dem Jahr 2009 wird wahlweise dazu genutzt, der Band rechte Attitüde vorzuwerfen, oder von der Band selbst, um sich dagegen zu verteidigen. Eine zentrale Textstelle lautet: "Das ist das Land der Vollidioten, die denken, Heimatliebe ist gleich Staatsverrat / Wir sind keine Neonazis und keine Anarchisten, wir sind einfach gleich wie ihr ... von hier." Doppelzüngig?

Mindestens doppelschwer ist es, nur anhand dieses Beispiels und vor dem südtiroler Background die Axt zum finalen Urteil fallen zu lassen. Auf diesen Sachverhalt, also die Rückzugsmöglichkeit der Band auf Aussagen wie zum Beispiel "in Südtirol ist der Begriff Heimat anders besetzt", nimmt das Blog Störungsmelder Bezug (Nachtrag 1.11., Anm.d.Red.), das sich mit dem Text des Songs Wahre Werte auseinandersetzt.

Die Heimatliebe- und Patriotismus-Statements stellen die einen in den Vordergrund, die Aussage "wir sind keine Neonazis" die Musiker selbst. So auch jüngst in einem als PDF veröffentlichten Statement, mit dem sich Frei.Wild gegen Vorwürfe zu erwehren versuchen, die der Journalist Thomas Kuban, der undercover im rechten Milieu recherchiert, in der Sonntags-Talk-Show der ARD "Günther Jauch" erhoben hatte. Einen ausführlichen Text von Kuban über Frei.Wild lest ihr auf "Endstation Rechts".

Er sehe die Band zu Unrecht als "Botschafter eines neuen 'völkischen Nationalismus'", verteidigen sich Frei.Wild. Man habe sich immer wieder "gegen Nazis und gegen rechte Gesinnungen ausgesprochen", auch im Rahmen der eigenen Konzerte. Ein Artikel auf publikative.org streicht jedoch heraus, dass die Band "in Nazi-Kreisen auf Gegenliebe stößt" und ihre Musik trotz der bisherigen Distanzierungsversuche ein prima Propaganda-Vehikel für Rechte darstelle.

In einem am 31. Oktober auf Youtube veröffentlichten Video versucht Philipp Burger diesbezüglich nochmal ganz persönlich Stellung zu beziehen. Frei.Wild würden keine Nazis auf ihren Konzerten dulden: "Wir wollen solche Leute nicht haben". Band und Fans vereint gegen die Kritiker, lautet die Marschroute.

Die Fragen liegen auf dem Tisch...

Der W und Frei.Wild angeln sich nicht zum ersten Mal Top-Platzierungen in den Charts. Beide gehen zudem auf ausgedehnte Tourneen in großen Spielstätten. Teils regt sich mal mehr, mal weniger kreativer Protest. Höchste Zeit, die nicht zum ersten Mal begonnene gesellschaftliche Debatte weiter zu führen.

Für den puren Fan von Deutschrock, -Punk und Co., für den die Musik als solche im Vordergrund steht, wäre die weitere Aufklärung ganz sicher ein Gewinn: Wer will schon mit brauner Soße in einen Topf geworfen worden? Einige bisher eher vereinzelte Fans versuchen nun (siehe z.B. hier auf Facebook), selbst Zeichen der Distanzierung von Rechts zu setzen.

Die Debatte mag dem Muster eines fortwährenden, zermürbend anmutenden und letztlich ergebnislosen aneinander Reibens folgen, wie man es vor vielen Jahren schon bezüglich der Onkelz beobachten konnte. Doch eine kritische Haltung, kritische Beobachtung, eine distanzierte und nüchterne Betrachtung sollten niemals unter die Räder geraten.

...und müssen diskutiert werden:

Was haltet ihr von Bands und Musikern wie Frei.Wild und Der W? Wie beurteilt ihr deren Erfolge? Welche Aspekte werden eurer Meinung nach bei der Diskussion bisher vernachlässigt?

Wir sind gespannt auf eure Meinung in den Kommentaren!

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