Chris Rea

Chris Rea © BB Promotion

Seit dreißig Jahren ist Chris Rea im Musikgeschäft. Im Jahr 2001 wechselte er die Genres: vom Schmuserock zum Blues. Die "Still So Far To Go"-Tour wird zu dem gleichnamigen neuen Best-Of Album unternommen. Auf diesem sind auch einige wenige Bluesstücke zu finden. Im Konzert aber wurde durch Songauswahl und Bühnenarrangement eindeutig erkennbar: Chris Reas Herz gehört jetzt dem Blues. Die Gäste im ausverkauften Rosengarten begeisterten sich sowohl für die alten Klassiker als auch für die neueren Blues-Stücke.

{image}Paul Casey, der irische Singer/Songwriter, war nur mit seiner Akustikgitarre bewaffnet, erntete aber dennoch viel Applaus. "If you feel like singing, just do", kündigte er den Song I Do aus seinem brandneuen Album "Scrapbook" (2010) an. Ein paar Stimmen waren sodann auch vernehmbar. Die geballte Stimmkraft sparten sich die Gäste aber offensichtlich für den Hauptact auf. Chris Reas Bühnenbild versinnbildlichte seine musikalische Wende und sein neues Ich, das durch seine Krankheit geprägt wurde: drei große blaue gemalte Gitarren fügten sich leuchtend in die Bilder ein, welche auf die Leinwand projiziert wurden. Während seiner Genesung hatte er gemalt, und vor dieser Bilderkulisse spielt er nun seit längerem, so auch in Mannheim. Wohlbekannte Slide-Riffs erklangen. Dann fing der gealterte Musiker mit seiner gewohnt rauchig markanten Stimme an zu singen: Nicht Josephine oder All Summer Long, nein,  I Can’t Wait For Love ("The Return Of The Fabulous Hofner Blue Notes", 2008) stand am Anfang des eineinhalbstündigen Konzertes, das eigentlich die Klassiker des neuen Best-Of Albums durch Europa tragen soll.  

{image}Die (musikalische) Veränderung fiel in das Jahr 2001. Diagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs. Da begann Chris Rea über seine musikalische Entwicklung nachzudenken. "It’s not until you become seriously ill and you nearly die and you’re at home for six months, that you suddenly stop to realize that this isn’t the way I intended it to be in the beginning. Everything that you’ve done falls away and you start wondering why you went through all that rock business stuff." (Chris Rea auf seiner Homepage) Für den Musiker aus dem nordenglischen Middlesbrough hieß das: Musik machen, für die sein Herz seit seiner Kindheit geschlagen hatte. Back to the roots: Blues. Und so spielte er Stony Roads, die Singleauskopplung aus dem ersten bluesigen gleichnamigen Album (2002), in dem er seine Krankheit musikalisch verarbeitet hat, irgendwie am authentischsten und faszinierendsten. Mag sein, dass es bessere Bluesgitarristen gibt. Das ist allerdings kein Grund, die Blueswende zu verfluchen. Live fühlte es sich jedenfalls so an, dass es zweifellos der Blues ist, der ihm die Möglichkeit gibt, sein Innerstes auszudrücken. Denn auch wenn die Zuschauer eher bei den altbekannten Songs ins Jubeln fielen, weil diese vermutlich sehr viele Erinnerungen heraufbeschworen – das Herz ging auf bei Stony Roads. Nach den berühmten Slide-Guitar-Soli bekam Chris Rea ohnehin bei jedem Song eine Portion extra Applaus, so auch bei Easy Rider.  

Nach seinem ersten Blues-Album riss sich Chris Rea los von seinem alten Label und gleichsam auch von seinem Image als Pop-Schmuserocker. 2003 gründete er sein eigenes Label "Jazzee Blue". Seine Bluesomanie fand ihren Höhepunkt in "Blue Guitars" (2005), das bekannte 11 Alben schwere Earbook welches das Buch mit seinen in der Genesungsphase gemalten Bildern beinhaltet. In nur 18 Monaten hatte Chris Rea für "Blue Guitars" 137 Songs aufgenommen. Where The Blues Come From spielte er daraus und auch Electric Guitar.

Und wenn sich so mancher Chris-Rea-Liebhaber von früher über den Blues-Wandel aufregt und sich nach alten Zeiten sehnt – keine Bange, die rockig leichten Klassiker stellen einen großen Teil der Setlist. Nach der ersten Zeile "rain on my window" freuten sich die langjährigen Fans: tosender Beifall. Reichlich Vorschusslorbeeren für Josephine. Und auch Julia spielte er – das andere der beiden Stücke, die er für seine zwei Töchter geschrieben hat. Bei den rockigeren Songs klatschte der sonst bewegungsarme Chris Rea auch mal in die Hände und auch die Musiker der Hofner Bluenotes wirkten etwas lebendiger.   

{image}"Dankeschön", hörte man Chris Rea nach Julia in den tobenden Applaus hineinsagen; es war sein erstes Wort an diesem Abend und es sollte das Einzige bleiben. Ausgesprochen wortkarg. Aber die Musik sprach für sich.

Je älter der Abend wurde, umso rockiger ging es zu. Mehr Lichter zeigten sich da auf der Bühne, die Zahl der Kopfwackelnden stieg. Come So Far, Yet Still So Far To Go, einer der zwei neuen Songs, die Chris Rea für sein aktuelles Best-Of-Album geschrieben hat, ist fetzig. Und die Stimmung lockerte sich noch mehr bei Somewhere Between Highway 61&49. Klar, Chris Rea ist bekannt für seinen Slidestil, aber das beeindruckte dann doch sehr, wie er am Bühnenrand stand und für eine Gitarre ungewohnte Klänge produzierte, und zwar locker und irgendwie spitzbübisch. Stainsby Girls diente ihm dazu, auch mal einen kleinen Gitarrengruß ins Publikum zu schicken. "Let’s go Chris!", schrie da ein heißgewordener Fan aus dem Publikum.

Selbstredend sorgte der Song mit der Anfangszeile "well I’m standing by the river" am meisten für Furore im Saal. Es lag vermutlich auch an der Kulisse des eleganten Mozartsaals, dass sich das Publikum im Allgemeinen, auch bei den fetzigen lauten Rocksongs eher ruhig und bedächtig gab. Anders bei Road To Hell: Schon als Chris Rea die erste Zeile sang, erhielt er mächtig Applaus. Und als die Instrumente einfielen, fand die vornehme Zurückhaltung des Publikums endgültig ihr Ende. Da stand auch mal ein Pärchen auf und tanzte übers Parkett. Schlussendlich riss es doch alle aus ihren Sitzen. Die Musiker indes verschwanden nach dem letzten Stück wortlos wie sie gekommen waren von der Bühne.

So in Fahrt gekommen, wollten die Fans ihren Chris aber noch nicht gehen lassen. In rot-orangenem Licht gab dieser dann die Zugabe: On The Beach. Das waren noch Zeiten, als der damals blonde Chris von barbusigen Brünetten träumte; in dem Musikvideo von 1986. Viel Zeit ist seither vergangen, viel hat sich verändert, nur eins nicht: Chris Rea schafft es immer noch Hallen auszuverkaufen und nach dem letzten Stück I Ain’t Never Too Old To Dance ein hellauf begeistertes Publikum in Standing Ovations zu hinterlassen. Und dann verschwand er – der Musikstar der ruihgeren Art – ein letztes Mal wortlos von der Bühne.

Alles zum Thema:

chris rea