Pet Shop Boys (Live in Mannheim 2024) © Rudi Brand
Nur wenige Bands sind so prädestiniert für eine Greatest Hits-Tour wie die Pet Shop Boys. Hits hatte das Duo in seiner langen Karriere im Überfluss, vor allem natürlich in der großen Dekade zwischen 1986 und 1996, als Neil Tennant und Chris Lowe (fast) alles zu gelingen schien.
Damals wurde ihre komplett synthetische Musik von manchen als minderwertig und vergänglich abgetan. Tatsächlich hat die Musik die Jahrzehnte nicht nur gut überdauert, sondern beweist bei der aktuellen Tour eine zeitlose Qualität, die eng mit den hintersinnigen Texten und Neil Tennants non-chalantem Gesang verbunden ist.
Plötzlich perfekt
Tatsächlich ist Tennants Gesang an diesem Abend in der SAP Arena ausgezeichnet, auch die hohen Töne gelingen ihm mühelos. Wer Konzerte der Pet Shop Boys vor fünfzehn oder mehr Jahren besucht hat, mag sich wundern, denn das war keineswegs immer so.
Aufgrund technischer Hindernisse gingen die Pet Shop Boys erst Ende der 1980er Jahre erstmals auf größere Tour – da war der 1954 geborene Tennant schon Mitte 30. Die fehlende Routine, die vornehmlich durch eine Karriere durch kleine Clubs entsteht, war in einer gewissen Unsicherheit im Gesang immer spürbar.
Selbstsicher und entspannt
2024 – Neil Tennant feiert in wenigen Tagen seinen 70. Geburtstag – wirken alle Hemmungen und Hindernisse wie weggeblasen und die Frage mag erlaubt sein, ob die stets technik-affinen Engländer nicht etwas nachhelfen. Popmusik lebt bekanntlich zu einem Gutteil von der Illusion, so dass ihre Fans sicherlich nichts dagegen hätten, wenn es denn so wäre.
Eines ist aber sicher: Neil Tennant wirkt auf der Bühne so selbstsicher und entspannt wie vielleicht noch nie. Man wünscht sich eigentlich mehr der kleinen Entstehungsgeschichten zu den Songs, denn die Pet Shop Boys sind auch glänzende Erzähler und kluge Beobachter.
So bleibt es bei der Anektdote, dass "Domino Dancing" seinen Titel einem Karibik-Urlaub verdankt, bei dem die Urlaubenden Abends nur Domino spielten, da es sonst nichts zu tun gab.
Behutsam modernisiert
Die große Hitdichte sorgt beim Konzert in Mannheim für ausgezeichnete Stimmung von Anfang bis Ende. Zu Beginn des Konzerts stehen die Zuschauer auf – und viele bleiben anschließend stehen. Klar: Die Musik der Pet Shop Boys, insbesondere die großen Hits, eigenen sich perfekt zum Tanzen und Mitwippen.
Die Entscheidung, die großen Klassiker nur behutsam zu modernisieren, zahlt sich aus. Es wäre schlimm, wenn die Pet Shop Boys ihre Songs mit technoiden Beats zermartern würden.
Das vielgeschmähte "Go West" unterlegt mit historischen Videoaufnahmen des "Gay Freedom March" in San Francisco aus dem Jahr 1979 gewinnt dadurch eine besondere Prägnanz und Aktualität. Generell sind die Videosequenzen mit kurzen Impressionen ihrer berühmten Videos, aber auch neuem Material sehr gelungen.
Starke neue Songs
Auch die drei neuen Songs fügen sich gut in den unablässigen Storm der Hits ein. Der Übergang vom umjubelten "Domino Dancing" zu dem neuen "Dancing Star", eine Verbeugung vor Tänzer Rudolf Nurejew, gelingt nahtlos.
Das melancholische "A New Bohemia" ist einer der besten Songs ihres neues Albums "Nonetheless" und mit "Loneliness" ist den Pet Shop Boys spät in ihrer Karriere noch ein echtes Meisterwerk gelungen.
Nur eine Sache bleibt noch zu tun. Nach ihrer Greatest Hits-Tour sollten die Pet Shop Boys auch ein Konzert (eine Tour wäre wohl vermessen) nur mit obskuren Album-Tracks und B-Seiten spielen. Abseits der großen Hits gibt es da nämlich viel zu entdecken.
