Das Hurricane Festival 2024 bot Party ohne Ende

Das Hurricane Festival 2024 bot Party ohne Ende © Tsoj

Schon im Vorhinein war klar, dass das Hurricane in diesem Jahr eine ganz besondere Ausgabe werden könnte. Das Line-Up bot den wohl breitesten musikalischen Mix seit langem und dazu zahlreiche angesagte Acts. Wie immer steht und fällt der Erfolg eines solchen Festivals aber auch mit der Laune der Fans. Und hier kann schon vorweggenommen werden: diese war wie immer sensationell.

Am Donnerstag ging es los. Bereits am Morgen gab es in Scheeßel kein Durchkommen mehr. Zehntausende Fans waren mehr als pünktlich angereist und bereits kurze Zeit nach Öffnung der Campingflächen war es schwer, noch einen Platz halbwegs nah am Konzertgelände zu finden. Dass es in diesem Jahr am Anreisetag etwas chaotischer zuging, war u.a. der Änderung einiger Campingregeln geschuldet.

Im Netz beschwerten sich viele, dass sie nicht mehr ohne weiteres zwischen Hurricane Park (früher Green Camping) und dem normalen Zeltplatz hin und her gehen konnten. Zusätzlich schien es in einigen Bereichen des Zeltplatzes, als gäbe zu wenige mobile Toiletten, weshalb die Schlangen vor den wenigen Dixis zu jeder Tageszeit sehr lang sind. Kompensiert wird dies durch den Ausbau der festen Sanitäranlagen inkl. der zahlreichen Gruppenduschen. Hier musste man nur selten anstehen und die Abläufe waren meistens reibungslos.

Let's go

Nachdem am Donnerstag die Wild Coast Stage auf der Warm-Up Party mit Drei Meter Feldweg, Itchy und Teuterekordz schonmal gut zerlegt wurde, ging es am Freitag endlich richtig zur Sache. Bereits 90 Minuten nach dem Start durch das legendäre #HurricaneSwimTeam stand auf der River Stage ein Act bereit, der 2023 einen selten erlebten Hype in Deutschland kreiert hat: Ski Aggu.

Der Berliner sorgte mit seinen Megahits "Friesenjung", "Theater" und "Tour de Berlin" dafür, das der Platz erstmals so richtig bebte. An der zweitgrößten Bühne gibt es schnell kein Durchkommen mehr und Zehntausende feiern die eingängigen Hip Hop-Songs. Direkt wird klar, dass das Hurricane in diesem Jahr ein gutes Händchen für Acts hat, die bei Fans sämtlicher Musikrichtungen in aller Munde sind. Doch dazu später mehr…

Es wird nass...

Per App werden die Fans am Nachmittag informiert, dass bald ein starker Regen über Scheeßel fegen wirde Diejenigen, die noch auf dem Gelände sind, versuchten irgendwie unter Bäumen Schutz zu suchen, während auf dem Zeltplatz gleichzeitig die große Sicherung von Pavillons und Zelten beginnt.

Zwischenzeitlich ist der Regen extrem heftig und zahlreiche Pavillons gehen im Sturm flöten. Insgesamt merkt man dem Unwetter-erprobten Hurricane-Publikum jedoch eine gewisse Resilienz gegen solche Wetterzustände an, da man in der Vergangenheit sowieso schon alles erlebt hat. Dass die River Stage zeitweise jedoch unbespielbar und deshalb sogar das Konzert von The Kooks abgesagt wird, weckt zunächst böse Erinnerungen an 2016, als mehr als die Hälfte des Festivals komplett ins Wasser fiel.

Wieder aufrappeln

Nachdem jedoch irgendwann wieder Licht am Himmel zu sehen ist, wird allen klar, dass es sich nur um eine vergleichsweise kleine Störung handelte. Während die einen ihre Zeltplatzpartys bei Dosenbier, Flunkyball und Grillgut fortsetzen, geht es auf dem Konzertgelände vor allem um einen Act: Ed Sheeran als Mainact auf der Forrest Stage.

Ein gigantischer Headliner

Dass ein so großer Künstler, der bekanntermaßen Stadien und Rennbahnen mit Solokonzerten mehrfach am Stück ohne Probleme ausverkauft, auf dem Hurricane und Southside spielt, ist für viele im Vorhinein schon eine Sensation.

Als Ed Sheeran dann aber tatsächlich um 23 Uhr auf der Bühne erscheint, wird vielen erst so richtig klar, dass sie hier etwas ganz Besonders erleben. Der Engländer steht wie gewohnt einfach nur mit seiner Gitarre und Loop-Maschine auf der Bühne und zeigt, wie unglaublich eine Ein-Mann-Solo-Entertainment-Show sein kann.

Sofort legt er mit den Riesen-Hits "Castle on the Hill", "Shivers" und "The A Team" los. Die Atmosphäre im Publikum ist nicht weniger als magisch und über 70.000 Menschen singen Wort für Wort der Radiohits mit. Klar, es handelt sich nicht um das klassische Ed Sheeran-Publikum, dass auch bei, für seine Verhältnisse, unbekannteren Songs alles gibt, dennoch ist es beeindruckend zu sehen, wie der Engländer die Maße um Griff hat.

Von der souveränen Unterbrechung von "Give Me Love" aufgrund eines Zwischenfalls im Publikum bis hin zu sympathischen Ansagen und einer mehr als beeindruckenden Feuer- und Pyroshow, bietet Sheeran eine zu 100% gelungene Headlinershow von einem Superstar, der selbst für das Hurricane-Festival schon eine Nummer zu groß sein scheint. Dass er gebucht wurde, war also ein voller Erfolg.

Die Party startet

Der Freitag wurde noch mit Kontra K und Stella Bossi beendet, die wahre Party findet jedoch wie immer auf dem Zeltplatz statt. Bis in die Morgenstunden wurde hier lautstark gefeiert. Auf so einem Festival entstehen ja meistens auch inoffizielle Zeltplatzhymnen, die an zahlreichen Ecken ohne Pause durch die Boxen schallen.

In diesem Jahr ging dieser Titel zum einen an den viralen TikTok-Hit "Pyrooooteeechnik… ist doch kein Verbrechen" und an zwei neue Songs von K.I.Z, die erst am Freitag veröffentlicht wurden: "Familienfeier" und "Sommer meines Lebens" – einer davon sollte am Samstagabend auf der Hauptbühne für Gänsehaut sorgen.

Gehprobleme

Am Samstagmorgen sind die im Vorteil, die Gummistiefel dabei haben. Obwohl der Regen schon lange weg war, bleiben tiefe Schlammkuhlen, die mit Turnschuhen und Flip-Flops eigentlich nicht zu überwinden sind.

Vor allem für Einkäufe mit dem Bollerwagen muss man gut und gerne ein bis zwei Stunden in Kauf nehmen, um bei gesetztem Tempo zum Festivalkiosk und zurück zum Zelt zu gelangen. Dennoch waren die Leute bei Laune und halten die Party am Laufen.

Ein spannender Mix

Die Konzerte beginnen am Samstag bereits zur Mittagszeit und hielten eine aufregende musikalische Mischung bereit: während die Hauptbühne eher auf Indie und Rock’n’Roll mit Sea Girls, The Subways und Danko Jones fokussiert ist, geht auf der Mountain Stage die Punkrock-Fete ab.

Team Scheisse sorgen dafür, dass es vor der Bühne richtig voll wird und zahlreiche Pogos entstehen. Das gleiche gilt für Montreal, die wie immer ein absolut solides Set mit Hits wie "Endlich wieder Discozeit" und "Das falsche Pferd" ablieferten.

Wer dagegen richtig emotional mitsingen will, ist bei Tom Odell und seinem Megahit "Another Love" richtig. Parallel spielen die Leoniden auf der Hauptbühne ein beeindruckendes Konzert inkl. Bandperformance aus dem Publikum heraus.

Kein Durchkommen gibt es dann aber bei Paula Hartmann auf der Mountain Stage. Die Berlinerin feiert aktuell mit ihrem Mix aus Indie, Pop und Hip-Hop einen gigantischen Erfolg und brachte eine coole Produktion inkl. Bühnenbild in Form einer Burg und Gastauftritten der Rapper Makko und T-Low nach Scheeßel. Das Publikum geht richtig ab und bedankt sich mit frenetischem Applaus.

Angeschlagener Superstar?

Auf der Forrest Stage sorgen die Hardcore-Überflieger von Turnstile für einen gigantischen Abriss inkl. riesiger Moshpits. Wo jedoch bereits eine Stunde vor Konzertbeginn gar nichts mehr ging, war an der River Stage. Hier soll um 21:45 Uhr nämlich keine geringere als Avril Lavigne auftreten – ein weiterer Weltstar, bei dem es auf dem Papier der Wahnsinn ist, dass er nach Scheeßel kommt.

Als die Show, die übrigens als Best-Of-Konzert angekündigt wurde, losgeht, ist die Euphorie im Publikum zunächst groß. Avril Lavigne starte mit ihrem Megahit "Girlfriend" –  und legt gleich an dritter Stelle mit "Complicated" einen der ikonischsten Songs der 2000er nach.

Doch irgendwie will die Show nicht richtig zünden. Trotz cooler Produktion, inkl. Videocollagen und Feuerfontänen, wirkt Avril Lavigne sehr unmotiviert und emotionslos. Zwar spielt sie fast alle ihrer wichtigen Hits, so ganz springt der Funke jedoch nicht über.

Dass zahlreiche Passagen zudem auffällig stark nach Playback aussehen, sorgt dafür, dass einige Fans vermutlich nicht die Party starten, die sie eigentlich vorhatten. Im Internet wird spekuliert, dass Avril Lavignes geringe Motivation und eher schwache Performance mit ihrer Borreliose-Erkrankung aus dem Jahr 2014 zusammenhängt. So oder so scheinen viele Fans eher enttäuscht zu sein und wechseln früher als geplant zur Hauptbühne. Hier sollt es gleich nämlich so richtig abgehen…

Hexenkessel Hurricane

Dass K.I.Z-Konzerte so richtig eskalieren, ist nichts neues. Dass es jedoch dermaßen abgeht wie dieses Jahr, ist jedoch selbst für die Hartgesottensten eine Überraschung. Als Nico, Maxim und Tarek um 23 Uhr die Bühne betreten, gibt es kein Halten mehr – nirgendwo auf dem gesamten Infield.

Die Show beginnt mit dem Evergreen "Ein Affe und Pferd" und sofort bildeten sich Moshpit-Kreise und zahlreiche Bengalos wurden im Publikum gezündet. Jetzt noch einen guten Platz zu finden, ist absolut unmöglich und selbst an Stellen, an denen man eigentlich nichts sieht, werden riesige Moshpits eröffnet.

K.I,Z reißen die Bude von der ersten bis zur letzten Sekunde komplett ab und spielen einen Hit nach dem anderen. Egal ob "Urlaub fürs Gehirn", "Filmriss" oder "Bier": jeder Song wird frenetisch gefeiert und man fühlt sich wie im Fußballstadion, da im Publikum mehr Pyrotechnik gezündet wurde als gefühlt auf dem gesamten Festival.

Der wunderschöne Zeltplatz-Hit "Sommer meines Lebens" sorgt für richtige Gänsehaut und spätestens als die Band ihre Hits "Görlitzer Park" und "Hurra, die Welt geht unter" von einer B-Stage zwischen 2. und 3. Welle spielten, ist klar: K.I.Z haben eine der denkwürdigsten Shows in der jüngeren Hurricane-Geschichte gespielt und für den wohl größten Hexenkessel gesorgt, den Scheeßel seit langem gesehen hat.

Unglaubliche Kulisse

Auf den Leinwänden wird durch eine sehr coole Kameradrohne erst so richtig klar, wie voll es tatsächlich ist. Bis zum Ende des riesigen Feldes stauten sich die Menschenmassen, um irgendwie etwas von der Show mitzubekommen.

In der Menge wirkt es jedoch teilweise etwas zu voll. Da alle Menschen nach dem Avril-Konzert von derselben Seite zur Forrest-Stage strömten, ist es teilweise schon gefährlich eng. Hier sollten die Veranstalter tatsächlich darüber nachdenken, wie man solche Situationen entzerren kann.

Der Samstag wird von einem Late-Night-Special von Sido beendet, das zwar zahlreiche coole Songs wie "Schlechtes Vorbild" und "Augen Auf" zu bieten hatte, aber leider auch durch höchst unangebrachte Sprüche gegenüber Avril Lavigne in Erinnerung blieb. Da der Sound im ganz hinteren Bereich des Infields zudem kaum existent ist, nutzen viele die geistigen Totalausfälle von Sido, um vor dem letzten Festivaltag noch etwas Schlaf zu finden.

Nicht nachlassen

Der Sonntag hat nämlich erneut zahlreiche Hype-Acts zu bieten. Bevor diese jedoch auf die Bühne gingen, rissen die mittlerweile Hurricane-erfahrenen Musiker von Feine Sahne Fischfilet die Hauptbühne ab.

Auch hier wird zwischen einem Meer aus Bengalos und Rauchkerzen zu einem extrem starken Hit-Feuerwerk gefeiert. Egal ob "Alles auf Rausch", "Wenn’s morgen vorbei ist" oder natürlich "Komplett im Arsch": Feine Sahne sind immer ein Garant für eine riesengroße Party und live einfach eine Bank.

Starker Hype

Die angesprochenen Hype-Acts fanden sich dann am späten Nachmittag auf der Mountain-Stage ein. Den Anfang machte Soho Bani, der ähnlich wie Ski Aggu aktuell eine neue Form von Berliner Hip-Hop prägt. Seine Performance war vor allem von einem coolen Gitarrensound und einem stetig springenden Publikum geprägt.

Als er am Ende der Show seinen Mega-Hit "Zeit, dass sich was dreht" spielt, kreierte er den wohl lautesten Chor des gesamten Festivaltages. Dass tausende junge Menschen 18 Jahre nach Release der Originals nochmal eine legendäre Zeile von Herbert Grönemeyer mitschreien, sorgte einfach nur für Gänsehaut.

Schwacher Hype

Ein anderer Newcomer auf der Mountain-Stage ist danach Pashanim. Der Berliner knackt aktuell gefühlt jede Woche einen neuen Streaming-Rekord und setzt mit seiner sehr erfrischenden Art Rap ein großes musikalisches Ausrufezeichen. Leider kann man das nicht von seiner Live-Show behaupten.

Man merkt, dass der junge Berliner auf der Bühne noch sehr unerfahren ist und zwischen Alarm-Sounds und Geräuschen von zersplitternden Glasscherben nach jedem Song nicht wirklich für laute Stimmung im Publikum sorgt.

Da hilft leider auch nicht die 200. Ansage seines DJs AbuGlitch, ob das Hurricane noch Bock hat, nur um dann 30 Sekunden zu warten, bis der Beat einsetzt. Vermutlich wird sich das mit der Zeit aber auch noch ändern. Schließlich sind Songs wie "Airwaves" gerade dazu gemacht, live richtig abzugehen.

Krönender Abschluss

Da kommt es tatsächlich wie gerufen, dass mit Deichkind eine sehr erfahrende Hurricane-Band die River-Stage zumacht.

Zeitgleich feiern Bring Me The Horizon ihr Headliner-Debüt in Scheeßel und feuern dabei nochmal aus allen Rohren. Es ist wirklich beeindruckend, welche Entwicklung diese Band in den letzten Jahren von einer reinen Metalcore-Kapelle zu einer echten Headliner-Band genommen hat, die zehntausende Menschen anzieht und sie stets mit neuer, innovativer Musik beglückt.

Eine tolle Ausgabe

Das Hurricane hat auf jeden Fall ganze Arbeit geleistet und ein Headliner-Trio komplettiert, das den Eintrittspreis absolut wert ist. Danach fahren einige Fans schon nach Hause, andere bleiben noch eine Nacht.

Ebenfalls erwähnenswert ist, wie einfallsreich einige Fans auf dem Zeltplatz sind. Die Heim-EM inkl. Deutschlandspiel will man dann nämlich trotz guter Bands eher ungern verpassen. Und auch wenn das Hurricane leider keine Spiele mehr zeigt – obwohl dies früher Gang und Gäbe war – machen einige einfach Public Viewing am Zelt und laden die Nachbarn nochmal auf ein letztes Bier ein. So kann der deutsche Gruppensieg auch gefeiert werden.

Insgesamt war das Hurricane 2024 mal wieder um eine tolle Ausgabe des Mega-Festivals. Die Fans zeigten trotz etwas Regen und Matsch, wie laut sie zu Bands aller Richtungen feiern können und wie viel Spaß man in jeder Wetterlage in Scheeßel haben kann. Der tolle musikalische Mix im Line-Up sorgte zusätzlich dafür, dass an diesem Wochenende wohl kaum jemand mit schlechter Laune nach Hause gefahren ist. Wir sehen uns nächstes Jahr, Hurricane!